Dabei sind Krankheiten an Herz und Gefäßen für rund 10 Prozent aller Frühverrentungen verant-wortlich und für 25 Prozent aller vorzeitigen Todesfälle. Eine verbesserte Herzgesundheit käme demnach vielen Menschen und der Gesellschaft zugute.
Gravierend lasten die Kosten für krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auf Unternehmen und Sozialversicherungen. Arbeitsunfähigkeit verursacht jährlich 65 Milliarden Euro an Gehältern (Ent-geltfortzahlung) und 13 Milliarden Euro an Sozialabgaben, dies ist doppelt so viel wie 2010. Die tägli-chen Kosten je arbeitsunfähigen Mitarbeiter liegen bei über 400 Euro. Herzerkrankungen sind da-bei ein großer Block.
Interessant ist, dass unterschiedliche Berufsgruppen verschieden häufig von Herzinfarkten und Schlaganfällen betroffen sind. So besitzen etwa Manager eine sogenannte Risiko-Ratio für Herzin-farkte von 0,97, bei gering qualifizierten Arbeitnehmern beträgt diese Risiko-Ration 1,29. Dies be-deutet, dass Mitarbeiter von Unternehmen mit geringerer Qualifikation häufiger von Herzinfarkten betroffen sind als Führungskräfte. Ärzte weisen bei Herzkreislauferkrankungen eine nochmals um 40 bis 50 Prozent geringere Ereignisrate gegenüber Managern aus. Und noch eine Zahl: Während des Erwerbslebens haben Manager, Ingenieure, Ärzte, Hochschullehrer und andere hochqualifi-zierte Berufe in Bezug auf Herzkreislauferkrankungen nur halb so viele Ausfalltage wie Verwal-tungsangestellte und niedrig qualifizierte Arbeiternehmer.
Wie lässt sich dieses Gefälle erklären?
Ein Schlüsselfaktor für die frühe Erkrankung an Herz und Gefäßen ist der Bildungsstand – das Wis-sen über Risikofaktoren und die entsprechende Ausrichtung des Lebensstils. Aus diesem Grund rauchen Berufstätige mit höherem Bildungsgrad im Durchschnitt weniger und vermeiden häufiger durch eine ausgewogenere Ernährung Fettstoffwechselstörungen, Diabetes und Adipositas. Dies kommt auch dem Blutdruck zugute. Wer auf sich achtet, kann also enorm viel tun, um nicht an Herz und Gefäßen zu erkranken. Lediglich der hohe Stressfaktor als Risiko für Herzkreislaufkrankheiten ist für Berufsgruppen mit Führungsverantwortung nur schwer in den Griff zu bekommen. Dafür helfen dann Bewegungseinheiten und mentale Methoden zum Stressabbau.Wer wenig für seine Herzgesundheit tut, sei es aus mangelndem Wissen oder schlicht aus Resistenz gegenüber gesundheitlich sinnvollen Verhaltensanpassungen, ist also deutlich stärker gefährdet, auch schon während des Berufslebens und nicht erst im hohen Alter ernsthaft herz- und kreislauf-krank zu werden.
Ein zweiter Faktor ist die Inanspruchnahme von Vorsorgeuntersuchungen. Potenzielle Herzkreis-lauferkrankungen können heute frühzeitig diagnostiziert werden. Bluttests und bildgebende Ver-fahren ermöglichen hervorragende Analysen und einen Blick in Gefäße und Herz, die den Men-schen eine klare Prognose geben. Leider werden diese Möglichkeiten noch nicht ausreichend ge-nutzt. Bei der Aufgabe, herzkreislaufbedingte Arbeitsausfälle signifikant zu reduzieren, können auch Unternehmen ihren Teil beitragen. Viele Firmen haben inzwischen gesundheitsorientierte Programm für ihre Mitarbeiter aufgelegt, aber bei weitem noch nicht alle.
Fazit: Es gibt ein enormes Potential, mit mehr Gesundheitsbewusstsein, Vorsorgeuntersuchungen und betrieblicher Gesundheitsvorsorge Herzkreislauferkrankungen im Alter von unter 65 Jahren besser in den Griff zu bekommen. Die Volksgesundheit würde dabei einen Sprung nach vorne ma-chen. Unternehmen und Gesellschaft könnten hohe Milliardenbeträge einsparen. Laut einer jüngst veröffentlichten Studie ist eine Kostenreduktion durch Vermeidung von Herzkreislaufkrankheiten und deren Komplikationen von 50 Prozent realistisch.
Zur Person
Professor Dr. Manfred Zehender ist Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik und einer der führenden Herzspezialisten in Deutschland.