Bluthochdruck im Alter
Mit zunehmendem Alter verändert sich das Herz-Kreislauf-System. Die Elastizität der Blutgefäße nimmt ab, was zu einem natürlichen Anstieg des systolischen Blutdrucks führt. Bei älteren Erwachsenen ist insbesondere die isolierte systolische Hypertonie (erhöhter systolischer, aber normaler diastolischer Blutdruck) häufig. Dies erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, da ein erhöhter systolischer Druck die Blutgefäße, das Herz und andere Organe belastet.In der Vergangenheit gab es Bedenken, ob eine zu strenge Blutdrucksenkung bei älteren Menschen sinnvoll ist. Es wurde befürchtet, dass sie negative Folgen wie Stürze, Schwindel oder eine unzureichende Durchblutung lebenswichtiger Organe verursachen könnte. Neuere Studien liefern jedoch zunehmend Evidenz dafür, dass eine effektive Blutdruckkontrolle auch im höheren Alter von erheblichem Nutzen sein kann.
Der Nutzen einer strengen Blutdruckkontrolle im Alter
Die Studien zeigen, dass eine intensive Blutdruckkontrolle durch den Einsatz entsprechender Medikamente auch bei älteren Menschen das Risiko schwerer kardiovaskulärer Ereignisse wie Schlaganfälle und Herzinfarkte deutlich reduziert. Eine der wichtigsten Studien zu diesem Thema ist die SPRINT-Studie, die einen bedeutenden Beitrag zur Diskussion geleistet hat.Die SPRINT-Studie untersuchte den Effekt einer intensiven Blutdruckkontrolle mit einem systolischen Blutdruck von kleiner 120 mmHg im Vergleich zu einer weniger intensiven Kontrolle mit einem Zielwert von kleiner 140 mmHg. Untersucht wurden ältere Erwachsenen über 50 Jahre inklusive einer großen Gruppe von Menschen über 75 Jahren.
Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Die strenge Blutdruckkontrolle reduzierte das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse (wie Herzinfarkte, Schlaganfälle und Herzinsuffizienz) um etwa 25 Prozent. Zudem verringerte sich das Risiko der Gesamtsterblichkeit um rund 27 Prozent. Auch bei älteren Teilnehmern über 75 Jahren zeigte sich, dass eine strengere Blutdruckkontrolle die Wahrscheinlichkeit für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich senkte.
Im April 2024 wurde in der Zeitschrift „Circulation“ eine weitere Studie präsentiert, die sich der Frage widmete, wie hoch der ideale Blutdruck für Frau mit 65 Jahren ist, um 90 Jahre alt zu werden. Bei 16.570 Probanden in der „Women:s Health Initiative“ zeigte sich, dass die Wahrscheinlichkeit dafür bei 37 Prozent liegt, sofern der Blutdruck in diesem Alter systolisch zwischen 110 bis kleiner 130 mmHg reicht. Das gilt auch, wenn der Wert durch eine blutdrucksenkende Medikation erreicht wurde. Der Nutzen war dabei umso höher, je konstanter der Blutdruck unter 130 mmHg liegt.
Diese Ergebnisse unterstützen die Ansicht, dass eine strikte Blutdruckeinstellung auch bei älteren Menschen lebensverlängernde und gesundheitsbewahrende Effekte haben kann.
Verringerung von Demenz
Ein gut kontrollierter Blutdruck senkt nicht nur das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle. Ein weniger bekannter Vorteil der Blutdruckkontrolle ist der potenzielle Schutz vor Demenz und kognitivem Abbau. Es wird vermutet, dass Bluthochdruck durch die Schädigung kleiner Blutgefäße im Gehirn das Risiko für vaskuläre Demenz erhöht. Eine konsequente Blutdrucksenkung kann daher möglicherweise helfen, diesen Prozess zu verlangsamen und das Risiko für den altersbedingten kognitiven Abbau zu senken.Obwohl die Vorteile einer strengen Blutdruckkontrolle im Alter gut dokumentiert sind und auf der Hand liegen, gibt es auch kritische Aspekte, die insbesondere bei gebrechlichen älteren Menschen berücksichtigt werden müssen.
• Gefahr von Nebenwirkungen: Ältere Menschen sind oft empfindlicher gegenüber Blutdrucksenkern. Eine zu aggressive Blutdrucksenkung kann zu Hypotonie (zu niedriger Blutdruck) führen, die mit Schwindel, Stürzen und einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche verbunden ist. Dies ist insbesondere bei Menschen mit bereits bestehender Gebrechlichkeit oder dem gleichzeitigen Vorliegen mehrerer Krankheiten ein Problem.
• Individuelle Anpassung der Therapie: Die Wahl der Zielwerte und der Therapie muss immer individuell getroffen werden. Eine „One-Size-Fits-All-Strategie“ ist im Alter nicht geeignet, da jeder Mensch unterschiedliche Begleiterkrankungen, Lebensumstände und Risikoprofile hat. Ältere Menschen, mit stark eingeschränkter Mobilität oder bereits reduzierter Lebenserwartung, profitieren möglicherweise weniger von einer intensiven Blutdruckkontrolle, als es jüngere und gesündere ältere Menschen tun würden.
Grundsätzlich gibt es auch für Bluthochdruck medizinische Leitlinien: Die meisten Leitlinien, darunter die der „European Society of Hypertension“ (ESH) und dem „American College of Cardiology“ (ACC), empfehlen bei älteren Patienten einen Zielwert von unter 140 / 90 mmHg. Bei gesunden älteren Menschen, insbesondere unter 80 Jahren, kann ein systolischer Zielwert von unter 130 mmHg angestrebt werden, sofern die Therapie gut vertragen wird. Für ältere Patienten mit hohem Sturzrisiko oder Gebrechlichkeit kann ein weniger strenges Ziel (z. B. unter 150 mmHg) angemessen sein. Hier müssen Nutzen und Risiken sorgfältig abgewogen werden.
Fazit
Eine strenge Blutdruckkontrolle und -einstellung lohnt sich auch im Alter, insbesondere bei gesunden älteren Menschen. Eine gut eingestellte Therapie gegen zu hohen Blutdruck kann das Risiko für Herzinfarkte, Schlaganfälle und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch Demenz signifikant reduzieren und das Leben verlängern. Allerdings muss bei älteren Menschen, vor allem wenn Erkrankungen vorliegen, eine sorgfältige, maßgeschneiderte Blutdruckkontrolle erfolgen.
Zur Person
Professor Dr. Manfred Zehender ist Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik und einer der führenden Herzspezialisten in Deutschland.