Zu niedriger Puls kann aggressiv machen
Für Aufsehen sorgte vor einiger Zeit eine Studie der Universität Helsinki. Sie zeigte einen Zusammenhang zwischen einem niedrigen Ruhepuls und einer deutlich erhöhten Neigung zu Gewalt und aggressivem Auftreten. Die Studie, bei der über einen längeren Zeitraum die Daten von über 700.000 Männern ausgewertet wurden, kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass junge Männer mit niedrigem Ruhepuls deutlich häufiger wegen Gewaltverbrechen und anderen Straftaten verurteilt wurden. Das ist sicherlich interessant, muss uns aber – wie ich denke – keine Angst machen.Achtung bei erhöhtem Ruhepuls
Die sollte dagegen jeder haben, der regelmäßig über einen erhöhten Ruhepuls verfügt. So haben gleich mehrere neuere Studien nachgewiesen, dass bei Patienten mit Angina pectoris oder nach einem durchgemachten Herzinfarkt bereits eine Ruheherzfrequenz über 70 Schläge pro Minute das Risiko erhöht, vorzeitig zu sterben. Laut der Studien verschlechtert eine erhöhte Ruhefrequenz die Prognose einer bekannten koronaren Herzerkrankung und Herzleistungsschwäche generell. Denn ein hoher Puls bedeutet immer auch eine erhöhte Gefährdung der Durchblutungsnot im Herzmuskel.Neue internationale Leitlinien empfehlen darum, dass im Praxisalltag die Herzfrequenz als Risikofaktor berücksichtigt und optimal behandelt werden sollte. Bereits 70 – und nicht wie bisher angenommen 80 – Schläge pro Minute sollten heute als Obergrenze gelten.
Liegt der Ruhepuls darüber, steigt das Risiko für einen Herz-Kreislauftod um 34 Prozent an. Eine Herzfrequenz in Ruhe über 70 Schlägen pro Minute ist damit ein unabhängiger Risikofaktor für Herzinfarkt und frühen Tod und darum auch ein wichtiges Ziel für eine optimale Behandlung der betroffenen Patienten.
Ein kleines Rechenbeispiel macht den Zusammenhang deutlich. Bei einem Puls von 60 Schlägen pro Minute schlägt das Herz 86.400 Mal am Tag. Bei einem Puls von 80 Schlägen pro Minute sind es bereits 130.000 Schläge am Tag. Das ist auf ein Leben hochgerechnet ein gewaltiger Unterschied.
Frauen besonders gefährdet
Frauen sollten übrigens ganz besonders auf ihren Ruhepuls achten. Bei ihnen wird ein Herzinfarkt sehr häufig fehl- oder zu spät diagnostiziert. Wenn sie über einen erhöhten Ruhepuls verfügen, wissen sie zumindest, dass sie zur Risikogruppe gehören.Das hat ganz aktuell eine Studie der Womens Health Initiative belegt. Forscher der Georg Washington University haben diese Ergebnisse im British Medical Journal veröffentlicht. Demnach haben Frauen mit einer Pulsfrequenz von 76 Schlägen pro Minute bereits ein um 26 Prozent höheres Herzinfarkt-Risiko, als Frauen mit einer Pulsrate von 62 oder weniger. Besonders ausgeprägt ist der Zusammenhang zwischen erhöhtem Ruhepuls und einem Infarkt-Risiko übrigens laut der Studie bei Frauen im Alter zwischen 50 und 64 Jahren.
So messen Sie Ihren Ruhepuls
Wer seinen eigenen Ruhepuls ermitteln möchte, sollte das am besten morgens direkt nach dem Aufstehen (und vor dem ersten Kaffee) tun. Elektronische Pulsmesser, die heute in vielen „Wearables“ enthalten sind, liefern zumeist gute Ergebnisse. Und noch ein Tipp zum Schluss: Sollte Ihr Ruhepuls regelmäßig zu hoch sein, hilft häufig bereits ein regelmäßiges Ausdauertraining.Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.