Dem Krebs davongelaufen – Krebspatient läuft Marathon Ortenau Klinik

Dem Krebs davongelaufen – Krebspatient läuft Marathon

„Bloß nicht zu schnell loslaufen“, das war der Hauptgedanke von Klaus Ritter am Start und auf den ersten Kilometern des Halbmarathons in Freiburg. Die Nervosität schlägt einem ja schließlich häufiger ein Schnippchen. Aber alles ging gut und „irgendwann lässt man sich ja doch mitreißen“.

Nach 1:48,42 Stunden war der 59-Jährige im Ziel. Als 35. seiner Altersklasse M60 eine gute, aber an sich keine herausragende Leistung. Diese wird es erst, wenn man die Vorgeschichte des Mannes aus Weisweil kennt. Im Dezember 2010 diagnostizierte sein Urologe bei ihm Prostatakrebs. Nur wenige Wochen später wurde er operiert.

Aufgeben war keine Alternative

Aufgeben kam für Klaus Ritter nie in Frage. Aus dem dunklen Tal, das ihn nach dem Befund Prostatakrebs umgab, lief er im wahrsten Sinne des Wortes wieder hinaus. „Ich wollte schnellstmöglich wieder fit werden. Deshalb habe ich die Sache selbst in die Hand genommen.“ Gelaufen war der 59-Jährige schon vor der Diagnose Krebs und er sah keinen Grund, nach der erfolgreichen Operation damit aufzuhören. Im Gegenteil: Nach dem erfolgreichen Freiburger Halbmarathon wartet am 29. April der Hamburg Marathon auf den ambitionierten Läufer. Nach vier Stunden und zwölf Minuten möchte er eine Medaille um den Hals gehängt bekommen, dann wäre er im Ziel und hätte seine Wunschzeit erreicht. Doch eigentlich ist die Zeit für ihn nicht das Wichtigste. Viel wichtiger ist, dass er sich wohl fühlt, wieder gesund ist und Spaß am Leben hat.

Hinter Ritter liegt eine Zeit, in der der ehemals engagierte Projektgruppenleiter in der Automobilindustrie leidvoll erfahren musste, was schwer krank sein bedeutet. Nur sehr selten war er zuvor überhaupt einmal krank gewesen. Nach wie vor bezeichnet er sich als Gesundheitsapostel, der gerne läuft, Yoga macht, reitet, in die Sauna geht und auch ansonsten sehr auf seine Gesundheit achtet. Die Diagnose Krebs wollte er zunächst nicht wahrhaben.

ritter luftBewegung als Therapie

„Nach der Diagnose habe ich zum ersten Mal in meinem Leben geweint“, gibt Ritter zu. Doch anstatt wie andere zu verzweifeln, lief er sich frei. Während des Sports entwickelte er sogar eine ganz persönliche Art der Meditation: „Ich wirble beim Ausatmen die negativen Gedanken aus meinem Körper und zertrete sie am Boden liegend mit meinen Füssen.“ Diese Vorstellung hat ihm Kraft zum Durchhalten gegeben und Mut für die bevorstehende Operation gemacht.

In der Reha setzte er seine Lauf-Therapie weiterhin konsequent um. Während er von anderen Patienten für sein Training belächelt wurde, verdoppelte er die von den Ärzten empfohlenen Streckenlängen zum Spazieren gehen. In der dritten und letzten Woche der Reha hatte er bereits sein eigenes Intervall-Programm erarbeitet: eineinhalb bis zwei Stunden ging er langsam und lief schnell – jeden Tag. „Da habe ich mich auf mein inneres Bauchgefühl verlassen. Man merkt ja selbst, wie es einem dabei geht.“

Depressiver Stimmung entfliehen

Auch durch sein zielstrebiges Programm behielt er seine positive Lebenseinstellung: „Wenn ich mir die Mitbetroffenen beim täglichen Kaffeekränzchen vorstelle, immer haben sie nur über Tod und Bestrahlung gesprochen. Da wollte ich nicht mitmachen.“ Wer ständig über seine Krankheit nachdenkt und nicht weiter gegen sie ankämpft, der wird nicht so schnell gesund wie der optimistische Ritter. „Im Grunde bin ich dieser sehr schlimmen Krankheit mit allen Nachwirkungen davongelaufen“, zieht er nun auch ein Resümee.

Jeder für sich verantwortlich

Der Sport macht ihm Spaß und baut Stress ab, doch nicht nur deshalb fing er vor zehn Jahren an, die Laufschuhe zu schnüren. „Meine Gesundheit kann ich nicht delegieren. Wer außer mir selbst soll sich sonst um meine Gesundheit kümmern? In die Krankenkasse einzuzahlen alleine reicht nicht“, verdeutlicht Klaus Ritter seine Meinung. Genau diese hat ihm jetzt über die schwerste Zeit seines Lebens geholfen.

Auch sein behandelnder Arzt, Dr. Simon vom Ortenau Klinikum in Offenburg, bestätigt die positive Wirkung von Bewegung für den Heilungsprozess seines Patienten: „Die Rolle von Sport bei Krebserkrankungen wurde lange unterschätzt. Inzwischen ist erwiesen, dass Bewegung und Sport den Krankheitsverlauf bei Krebserkrankungen beeinflussen – und zwar positiv.“ Dies bestätigt auch eine Studienanalyse, die von der Deutschen Sporthochschule Köln mit 2.500 Prostatakrebspatienten durchgeführt wurde: Durch regelmäßige Bewegung werden die Schließmuskeln gekräftigt, weswegen nach der OP eine schnellere Kontinenz hergestellt werden kann. Das kann Ritter aus eigener Erfahrung bestätigen: „Ich war einer der ersten, der keine Einlagen mehr brauchte.“

Letztens sagte jemand zu dem lebensfrohen Marathonläufer, dass Sport doch Mord sei. Er aber ist sich sicher: „Der Sport hat mir schnell ein neues Leben geschenkt.“

 

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