Reizüberflutung stört die Konzentration
„Bitte lassen Sie alle mobilen Endgeräte zu Hause und aktivieren Sie vor Antritt Ihre Mailbox und Abwesenheitsassistenten.“ Wer an The Digital Detox teilnehmen möchte, wird im Programmheft auf die Grundregel des Camps verwiesen: Digitale Medien sind hier tabu, selbst die Mitnahme ist nicht erlaubt. Ziel ist es, den Teilnehmern bewusst zu machen, welche negativen Auswirkungen der schon als ganz normal empfundene Umgang mit Smartphone und Co. auf die Konzentration und Schaffenskraft hat. „Wer sein Handy nicht mehr ausschalten kann und alle fünf bis zehn Minuten nachschauen muss, was online geschieht, sollte sich Gedanken über sein Nutzungsverhalten machen und seine Konzentrationsfähigkeit unter die Lupe nehmen“, sagt Stöckle. Für Matthias Büning (33) war genau das ein Grund, in ein Offline-Camp zu gehen: „Die Idee kam mir, als ich gemerkt habe, dass es mir immer schwerer fiel lange, komplexe Aufgaben zu erledigen. Durch das Smartphone und andere Medien ist Ablenkung jederzeit möglich und ich hatte mir angewöhnt, schnell auf diese Möglichkeit zurückzugreifen.“ Zehn Tage verbrachte er in einem abgelegenen Kloster im Kalifornischen Palm Springs. Hier in der Nähe lebt der 33-Jährige seit über vier Jahren.Digital Detox – Offline-Camp erfordert Disziplin
Bei The Digital Detox Deutschland dauern die Camps zwischen zwei und fünf Tage. Die Teilnehmer sollen nachhaltig eine Balance zwischen realem und digitalem Leben finden. „Es gibt viele, die nervös werden, Schweißausbrüche oder Angstzustände bekommen, wenn mal die Internetverbindung unterbrochen ist oder das Smartphone vergessen wurde. Wer nicht abschalten kann, wird unproduktiv“, so Stöckle. Um das Bewusstsein für digitale Medien zu schärfen, umfassen die Programmpunkte im Digital Detox-Camp Vorträge und Workshops zum Thema nachhaltige Kommunikation. Yoga, Meditation und Wanderungen sollen dazu beitragen, dass die Teilnehmer entspannen und zu sich finden. Laut Stöckle sei nicht die Technologie das Problem, sondern unser Umgang mit ihr: „Wer die Kontrolle zurückgewinnen will, muss hart mit sich selbst sein – am Anfang erfordert dies auch ein hohes Maß an Disziplin.“Die Verhaltensregeln im Camp, in dem Matthias Büning zehn Tage verbrachte, verlangten dem 33-Jährigen einiges ab. Im Kloster herrschte absolutes Kommunikationsverbot auf allen Ebenen: Keine digitalen Medien, keine Bücher, selbst das Sprechen mit anderen Teilnehmern war nicht gestattet. Ziel war das Erreichen einer maximalen Selbstreflexion und Selbstbeobachtung. „Der erste Tag war der schwerste. Ich hatte mehrmals das Gefühl eine Panikattacke zu bekommen, da ich mich nicht ablenken konnte. Wenn du Probleme hast und dich nicht ablenken kannst, bist du gezwungen dich mit deinen Problemen auseinanderzusetzen. Wer dazu nicht bereit ist, schafft es nicht“, erzählt er. 50 Prozent der Teilnehmer hätten das Camp abgebrochen. Nicht so der 33-Jährige. Bei ihm sei nach einigen Tage eine Ruhe eingekehrt, die er darauf zurückführte, dass das Gehirn nicht mehr alle paar Minuten neuen digitalen Input bekam, den es verarbeiten und einsortieren musste.
Digital Detox – Bewusster Umgang mit Medien als Ziel
Abbrüche konnten Stöckle und ihr Team bei The Digital Detox bis dato noch nicht verzeichnen. Vermutlich spielt dabei auch die kürzere Aufenthaltszeit eine Rolle. Allerdings habe es anfangs Situationen gegeben, in denen die Teilnehmer unbewusst in die Hosentasche oder Handtasche griffen, um nach dem Smartphone zu suchen. „Ist diese Phase überstanden, erarbeiten wir für jeden Strategien, wie er sein Smartphone und andere Geräte sinnvoll und zeitsparend einsetzen kann. Die Rückmeldungen unserer Teilnehmer besagen, dass sie im Anschluss an das Camp sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld die erarbeiteten Strategien umsetzen und ihren Medienkonsum bewusster wahrnehmen“, berichtet Stöckle.Dies trifft auch auf Matthias Büning zu: „Ich habe gelernt Prioritäten und Grenzen zu setzen. Neuerdings führe ich eine Liste mit Websites und Apps, die Zeitkiller sind. Wichtig ist, dass man sein mediales Nutzungsverhalten auch nach dem Camp beobachtet, da man leicht wieder in alte, unproduktive Schemata verfällt.“
Wer nicht sofort einen Gang ins Digital Detox-Camp wagt, dem ist fürs Erste sicherlich damit geholfen, sein Handy außer Reichweite zu legen oder Hinweistöne und –banner abzustellen. Ob im Camp, auf der Arbeit oder in den eigenen vier Wänden: Ein temporäres Abschalten tut Körper und Geist gut.