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Vorsicht: Heiße Getränke können Speiseröhrenkrebs verursachen

Viele Menschen sind es gewohnt, den Tag mit einer heißen Tasse Tee oder Kaffee zu beginnen. Erst dann arbeitet Kopf und Körper. Bei Jobs mit anstrengenden Phasen kommt hinzu, dass regelmäßiger Tee- und Kaffeekonsum über den Tag die Müdigkeit ein wenig vertreibt.
Daran ist im Prinzip auch nichts auszusetzen. Allerdings besteht die Gefahr, dass die Tasse Tee oder Kaffee zu heiß getrunken wird. In Ländern wie China, im Iran und der Türkei sowie in Südamerika wird Tee mit Temperaturen um 70 °C und darüber hinaus serviert. Auch Japaner sind dafür bekannt, dass sie ihren Tee sehr heiß trinken und ihre Misosuppe bei extrem heißer Temperatur schlürfen. Wir Europäer und auch die Nordamerikaner trinken den Tee eher mit Temperaturen unter 60°.

Allerdings sind dies Durchschnittswerte. Gerade in den kalten Jahreszeiten ist für viele ein heißer Tee oder Kaffee ein Highlight. Dann kommen auch Suppen als Warmmacher gerne einmal sehr heiß auf den Tisch. Kaffee kommt bei uns im Schnitt mit 75° aus der Maschine. Oft wird er, etwa in Coffeeshops, in Isolationsbechern gereicht beziehungsweise als Latte Macchiato in doppelwandigen Gläsern. Das Wasser beim Aufbrühen von Tee ist am Siedepunkt noch deutlich heißer.

Es bestand in der Medizin schon lange der Verdacht, dass Heißgetränke die Rate an Speiseröhrenkrebs signifikant erhöhen können. Lange fehlte jedoch eine prospektive wissenschaftliche Studie. In Tierversuchen steigerte auch Wasser ab einer Temperatur von 65 °C die Wahrscheinlichkeit für Tumore in der Speiseröhre. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und das Deutsche Forschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) weisen seit Jahren darauf hin, dass Getränke über 65 °C die Krebsrate deutlich erhöhen können. Neben Tee und Kaffee gilt dies auch für Schokoladengetränke, die etwa bei Kindern besonders beliebt sind.

Deutliche Hinweise darauf, dass die Vorsicht begründet ist, lieferte die Golestan Cohort Studie, bei der über 50.000 Probanden im Iran im Alter zwischen 40 und 75 Jahren beobachtet wurden, die ihren Tee regelmäßig mit einer Temperatur von über 60° tranken. Der Beobachtungszeitraum lag bei über zehn Jahren und die mittlere Teemenge betrug 700 ml (etwa drei bis vier Tassen) täglich. Zusätzlich wurden im Rahmen dieser Studie Faktoren ermittelt wie Bildung, Nikotinabusus, Haushaltseinkommen und Ernährungsgewohnheiten.

Diese Faktoren können bekanntlich Auswirkungen auf das Krebsrisiko haben. Die Trinkgewohnheiten wurden sogar durch regelmäßige Hausbesuche bei den Probanden objektiviert.

Im Laufe des Untersuchungszeitraum bekamen 317 Patienten ein Plattenepithelkarzinom, zumeist in der Speiseröhre. Es zeigte sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Temperatur des Tees und des Krebsrisikos. Wenn der Tee 70° oder heißer war, dann war das Krebsrisiko sogar doppelt so hoch. Die genauen Mechanismen, wie heiße Getränke Krebs in der Speiseröhre verursachen, sind noch nicht völlig geklärt. Eine These lautet, dass heiße Getränke über Entzündungsprozesse auch Veränderungen des Erbguts verursachen. Lokale Verbrühungen der Schleimhäute des oberen Verdauungstraktes bewirken in jedem Fall nachweisbare Zellschäden. Diese Faktoren könnten die Krebsentstehung beeinflussen.

Allerdings, das sei an dieser Stelle auch angemerkt, ist Krebs der Speiseröhre kein Massenphänomen. Nach der Veröffentlichung der Golestan Cohort Studie wies das Krebsforschungsinstitut in Heidelberg darauf hin, dass an diesem Krebs in Deutschland jährlich etwa 6000 Männer und 1600 Frauen erkranken. Bösartige Tumor der Speiseröhre entsprechen etwa 5 Prozent der Krebsfälle in Deutschland. Dabei spielen Faktoren wie Rauchen, Alkohol oder chronisches Sodbrennen eine besondere Rolle. Wer also derartige Risikofaktoren aufweist, sollte bei heißen Getränken noch vorsichtiger sein. Gerade der Speisenröhrenkrebs ist qualvoll und endet sehr häufig tödlich.

Es macht also in jedem Fall Sinn, die Heißgetränke zunächst einige Minuten stehen zu lassen oder länger umzurühren. Vermutlich sind zu heiß konsumierte Speisen genauso gefährlich.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

 

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