Im Laufe des Lebens nimmt die Taurinkonzentration im Körper bei Tier und Mensch ab. So ist im Alter von 60 Jahren der Tauringehalt bei uns im Vergleich zu Jugendlichen schon um mehr als 80 Prozent reduziert. Taurin ist eine Aminosäure, die in der Leber gebildet und durch die Nahrung aufgenommen wird. Ein biogenes Amin entsteht beim Abbau von schwefelhaltigen Aminosäuren. Zudem ist der Körper selbst in der Lage, Taurin zu bilden.
Taurin ist aber auch in Lebensmitteln wie Eiern, Fisch und Geflügel enthalten. Jakobsmuscheln und rotes Fleisch weisen einen besonders hohen Gehalt an Taurin auf.
Taurin findet sich im gesamten Körper, in hohen Konzentrationen besonders in den Augen, im Herzen, Blut, Gehirn und in der Muskulatur. Weitere klinische Effekte sind ausgeprägte antioxidative Eigenschaften sowie eine Beteiligung an der Verdauung. Zudem aktiviert es die Entgiftungsfunktion der Leber.
Taurin: Lebenserwartung bei Tierversuchen verlängert
Die New Yorker Forscher konnten zeigen, dass sich bei einer täglichen Taurin-Gabe die Lebenserwartung von Mäusen um 10 bis 12 Prozent erhöhte. Gleiche Ergebnisse erzielt man auch mit Rhesusaffen. Auch Untersuchungen an Fadenwürmern bestätigen diese Daten. Unisono zeigt sich überdies, dass nicht nur die Lebenserwartung gesteigert wird, sondern auch die Zeitspanne, in der die einzelnen Lebewesen gesund sind. Positive Effekte auf Knochen, Muskeln, Bauchspeicheldrüse, Immunsystem sowie Gehirn werden ebenfalls beschrieben.Aufmerksamkeit erregte in diesem Zusammenhang ein Datensatz von rund 12.000 Personen aus dem Leibnitz-Forschungsinstitut für Altersforschung in Jena. Dort zeigte sich ein Zusammenhang zwischen niedrigen Konzentrationen von Taurin mit Übergewicht, Typ II Diabetes sowie höheren Blutzuckerkonzentrationen und höheren Cholesterinspiegel im Blut. Kleinere Studien haben gezeigt, dass Taurin den Blutdruck bei Hypertonie-Patienten senkt und das Wohlbefinden von Parkinson-Patienten verbessert.
Aus der Sportmedizin wissen wir, dass Taurin von Sportlern als Nahrungsergänzungsmittel eingenommen wird. Dies soll einen positiven Effekt auf die Laufleistung zur Folge haben. Allerdings ist die Studienlage zu diesem Thema noch relativ dünn.
Kritisch bleibt anzumerken, dass mit den erwähnten Studien noch nicht belegt ist, dass ein direkter Zusammenhang zwischen Taurin und dem Alterungsprozess beim Menschen besteht. Man sollte bei einer Übertragung der Ergebnisse der Tierversuche auch im Auge behalten, dass die in den Studien verwendeten Mengen bei Anwendung beim Menschen sehr hoch wären. Wenn man nämlich die eingesetzten Dosen im Tierversuch vergleicht mit handelsüblichen Energy Drinks, so würde das eine Tagesdosis von 15 bis 19 Liter Energy Drink bedeuten.
Was wir jetzt brauchen, sind klinische Studien mit der Fragestellung, ob sich eine zusätzliche Einnahme von Taurin positiv auf das Altern und auf das Gesundbleiben auswirkt. In Brasilien ist eine solche Studie angelaufen. Erst am Ende wird sich auch zeigen, ob bislang noch nicht erkannte Neben- oder Wechselwirkungen bei einer Tauringabe auftreten. Und erst nach Abschluss können wir sagen, ob eine Taurin-Supplementierung als prophylaktische Therapie eingesetzt werden sollte.
Sollte es sich bei Taurin wirklich um ein gutes Anti-Aging Mittel handeln, das Flügel verleiht, müsste zudem geklärt werden, wie der optimale Aufnahmeweg aussieht: Ob als kalorienhaltiger Energy Drink oder als Tablette mit deutlich weniger Zucker.
Bislang raten Ärzte von einer Supplementierung mit Taurin über Energy Getränke ab. Zum einen ist Taurin in diesen Getränken viel zu niedrig dosiert und zum anderen sind diese Getränke durch weitere Inhaltsstoffe wie Koffein und Zucker nicht gesund. Die Hoffnung, sich mit Energy Drinks alt zu trinken, bleibt demnach mehr als unwahrscheinlich.
Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.