GesünderNet: Prof. Dr. Schweikard, Sie waren an der Entwicklung bzw. Umsetzung des CyberKnifes maßgeblich beteiligt. Um was für ein Gerät handelt es sich?
Prof. Dr. Schweikard: Das CyberKnife wird heute weltweit erfolgreich in der Krebstherapie eingesetzt. Eine spezielle Form der Krebstherapie ist die Radiochirurgie, eine hochpräzise und hochdosierte Bestrahlung in wenigen Sitzungen, die schon seit den 1950er Jahren mittels so genannter Stereotaktischer Rahmen bei Kopftumoren eingesetzt wird. Ende der 80er Jahre kam die Idee auf, ein System zu entwerfen, welches zum einen ohne diese Rahmen und zum anderen im ganzen Körper und vor allem bei bewegten Zielen behandeln kann. Wir entwickelten daher ein Bestrahlungssystem, welches durch spezielle Bildgebung und Computeralgorithmen Behandlungsstrahlen mittels eines industriellen Roboterarms präzise ins Ziel lenkt. Um es kurz zu fassen, das CyberKnife ist ein Roboter, der Krebstumore effektiv behandelt und den hohen Sicherheitsstandards in der Medizin Folge leisten kann.
GesünderNet: Der Name CyberKnife ist etwas irreführend, weil der Tumor eigentlich nicht herausgeschnitten wird. Können Sie uns kurz erläutern, wie ihm dennoch „der Garaus gemacht“ wird?
Prof. Dr. Schweikard: Das Funktionsprinzip ist ähnlich der Strahlentherapie, bei welcher die DNA der Tumorzellen durch fokussierte Röntgenstrahlung zerstört wird. Eine strahlentherapeutische Behandlung jedoch umfasst in der Regel mehrere Wochen, bei der ein Tumor sukzessive verkleinert wird. Die gesunden Organe können sich durch die niedrige Dosis der einzelnen Sitzungen erholen. Eine radiochirurgische Behandlung hingegen umfasst ähnlich zu einer Operation häufig nur eine Sitzung mit sehr hoher Dosis, bei der die gesamte DNA eines Tumors mit einem Mal komplett zerstört wird. Die zerstörten Zellen werden dann über die Zeit vom Körper abgebaut. Das CyberKnife arbeitet bei dieser Prozedur sehr genau und „schneidet“ mit seinen vergleichsweise kleinen Strahlen aus vielen verschiedenen Richtungen den Tumor sprichwörtlich aus dem gesunden Gewebe heraus. Daher der Name „virtuelles Messer“ oder CyberKnife.
GesünderNet: Ist der Einsatz mit Schmerzen verbunden? Wie sieht die Nachbehandlung aus?
Prof. Dr. Schweikard: Die Behandlung mittels Radiochirurgie oder Strahlentherapie ist im Gegensatz zur Operation völlig schmerzfrei. Der Patient ist in der Regel bei vollem Bewusstsein und kann nach der jeweiligen Sitzung ganz gewöhnlich den Alltag wieder aufnehmen. Deutliche Unterschiede gibt es aber auch zwischen Radiochirurgie und Strahlentherapie und dies nicht nur in der Länge der Gesamtbehandlung. Die Risiken hinsichtlich Nebenwirkungen sind durch die hohe Genauigkeit der CyberKnife-Behandlung in der Regel geringer. Ein großer Vorteil der CyberKnife-Methode ist, dass sie an multiplen Stellen und vor allem bei wiederkehrenden Tumoren eingesetzt werden kann, da wo andere Therapien bisher nicht zum gewünschten Erfolg führten. Nachbehandlungen nach einer CyberKnife-Therapie an gleicher Stelle sind hingegen aufgrund der hohen Strahlendosen schwierig. Jedoch treten gerade durch die hohen Dosen Tumore an gleicher Stelle nur sehr selten wieder auf.
GesünderNet: Bis dato gibt es weitere Möglichkeiten, Tumore herauszuoperieren oder diese konventionell zu bestrahlen. Können Sie uns sagen, wo der konkrete Vorteil gegenüber diesen Methoden besteht?
Prof. Dr. Schweikard: Im Vergleich zur Chirurgie ist der Vorteil klar, da die CyberKnife-Methode selbst mit weniger Risiken und Schmerzen auskommt. Gerade bei Tumoren, die eben schwer zu operieren sind oder bei Patienten, die hohe Operationsrisiken mit sich bringen, bietet das CyberKnife eine gute Behandlungsalternative. Es gibt sogar internationale Studien, die bei operablen Lungentumoren im frühen Stadium die chirurgische Entfernung mit der CyberKnife-Methode direkt vergleicht. Gegenüber der Strahlentherapie muss man sagen, dass die Radiochirurgie bei einigen Tumoren klar effektiver ist und sehr oft ebenfalls mit weniger Nebenwirkungen einhergeht, da die gesunden Organe gerade durch das CyberKnife besser geschont werden können.
GesünderNet: An welchen Organen kann das Gerät eingesetzt werden?
Prof. Dr. Schweikard: Das CyberKnife wurde anfänglich für Kopftumore entwickelt, jedoch mit der damaligen Weitsicht, dass zukünftig Tumore im ganzen Körper behandelt werden können. Und genau so ist es dann auch gekommen. Heutzutage findet das CyberKnife neben den klassischen Indikationen in Kopf und Wirbelsäule vor allem auch bei bewegten Tumoren in Lunge und Leber große Anwendung weltweit und in Deutschland. Weitere Anwendungsgebiete in Prostata, Niere und Bauchspeicheldrüse und sogar bei Brustbestrahlungen werden derzeit intensiv in den USA erforscht. Ob und wann diese Therapien jedoch auch in Deutschland zum Einsatz kommen, ist fraglich. Derzeit ist eine Behandlung hier nur in speziellen Einzelfällen oder in Studien möglich.
GesünderNet: Gibt es auch andere Einsatzgebiete, neben der Tumorbehandlung?
Prof. Dr. Schweikard: Die gibt es durchaus. Funktionale Störungen und Schmerztherapien werden seit Langem erfolgreich behandelt. Zum Beispiel werden häufiger Trigeminus Neuralgien und vereinzelt auch unlösbare Schmerzen, Zwangsstörungen oder Depressionen therapiert. Ein anderes Einsatzgebiet, welches wir gerade in Lübeck an Feldforschungen untersuchen, ist die Behandlung von Herzrhythmusstörungen speziell Vorhofflimmern. Hier sind die ersten Ergebnisse sehr vielversprechend, doch der Weg, bis Patienten behandelt werden können, ist noch weit. Interessanterweise wird aktuell auch untersucht, ob das CyberKnife bei der Überwachung von Schiffs- bzw. Containerladungen hilfreich sein kann, dies jedoch nur am Rande. Ansonsten ist das Einsatzgebiet der Roboter in der Medizin natürlich groß und wird daher intensiv an unserem Institut erforscht.
GesünderNet: Muss man als Patient bestimmte Anforderungen erfüllen, um mit dem CyberKnife behandelt werden zu können?
Prof. Dr. Schweikard: Ja. Die Anforderung für eine Radiochirurgische Behandlung an Tumore ist groß, so dass nur etwas 10% aller Tumorarten Radiochirurgie behandelt werden könnten. Die Tumore müssen zum Beispiel auf Bildgebungen wie CT oder MRT klar vom umliegenden gesunden Gewebe abgrenzbar sein. Sie dürfen auch nicht „zu ausgedehnt“ sein, da sonst die Belastungen durch die hohen Dosen für den ganzen Körper zu groß werden könnten. Hier ist dann die Strahlentherapie oder die Chemotherapie wieder im Vorteil. Allerdings muss man sagen, dass häufig auch kombinierte Verfahren zum Einsatz kommen, bei denen der Tumor erst durch konventionelle Behandlung verkleinert und dann mittels CyberKnife radiochirurgisch entfernt wird. Die Anforderungen an die Patienten selbst sind dabei sehr gering.
GesünderNet: Die CyberKnife Technologie gibt es schon seit den 1990ern in den USA. Warum hat es solange gebraucht, bis sie bei uns angekommen ist?
Prof. Dr. Schweikard: Die ersten CyberKnife Behandlungen fanden an der Stanford Universität Kalifornien statt. Durch die amerikanische Zulassungsbehörde zertifiziert ist das CyberKnife offiziell seit 2001. In Deutschland gibt es seit 2005 ein CyberKnife, jedoch kommen erst seit letztem Jahr immer mehr dazu. Der Grund hierfür ist leider recht einfach: Eine radiochirurgische Behandlung wird in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA, Japan, Italien, Frankreich und den Niederlanden im Allgemeinen nicht als Therapieoption anerkannt. Das CyberKnife gilt somit als Spezialtherapie in Deutschland. Daraus folgt, dass in der Regel auch extra Versorgungsverträge zwischen den CyberKnife- Zentren und den jeweiligen Krankenkassen geschlossen werden müssen. Dies ist, wie Sie sicher wissen, ein langwieriger Prozess.
GesünderNet: Wo kann man eine CyberKnife Behandlung erhalten?
Prof. Dr. Schweikard: Das unserer Universität zu Lübeck angeschlossene Universitätsklinikum Schleswig-Holstein hat zusammen mit dem Universitätsklinikum Rostock die universitäre Schirmherrschaft am CyberKnife Zentrum Norddeutschland in Güstrow. Ich selbst bin dort Teil des wissenschaftlichen Beirates und meine Studenten forschen dort an weiteren interessanten technischen Entwicklungen. Unser Institut kooperiert auch eng mit dem CyberKnife-Zentrum in München, welches bereits seit 2005 viele Patienten behandelt. Seit Mitte 2010 bzw. 2011 gibt es dann auch ein CyberKnife in Soest und eins an der Charité in Berlin. Weitere Zentren in Köln, Hamburg und Frankfurt sollen Ende 2011 bis Mitte 2012 entstehen.
GesünderNet: Inwieweit wird die Behandlung von der Krankenkasse getragen?
Prof. Dr. Schweikard: Das hängt leider sehr von dem jeweiligen CyberKnife Zentrum ab, da wie gesagt spezielle Versorgungsverträge geschlossen werden müssen. Nur selten wird die CyberKnife Therapie in einer Einzelfallentscheidung übernommen. Jedoch gibt es auch hier Lichtblicke, da sich immer mehr Krankenkassen diesen Versorgungsverträgen flächendeckend anschließen. Am besten man informiert sich bei dem jeweiligen CyberKnife Zentrum oder der jeweiligen Krankenkasse bezüglich der Kostenübernahme.
Unser Experte: Professor Dr. Ing. Achim Schweikard, Lübeck
Direktor des Instituts für Robotik und Kognitive Systeme, Universität zu Lübeck
CyberKnife Radiochirurgie, Robotergestützte Chirurgie