Ganz ehrlich: Das erschreckt mich zutiefst. Genauso, wie die Tatsache, dass inzwischen rund 7.000 Ärzte in Deutschland die Zusatzbezeichnung Homöopath tragen. Befragungen haben nämlich gezeigt, dass mehr als die Hälfte dieser Ärzte nicht mal selbst an die Wirksamkeit der alternativen Behandlungsformen glaubt.
Wirtschaftliche Gründe entscheiden
Doch warum ist das so? Zum einen spielen sicher ganz handfeste wirtschaftliche Gründe eine wesentliche Rolle. Wo es eine Nachfrage gibt, entwickeln sich immer auch entsprechende Angebote. Welcher Apotheker (und leider heute vielerorts auch Arzt) verzichtet schon gerne freiwillig auf die sich daraus ergebenden zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten, häufig nicht einmal über die Kasse abgerechnet, sondern aus privater Tasche gezahlt.Dazu ein weiterer interessanter Fakt: An deutschen Universitäten beschäftigen sich inzwischen drei Stiftungsprofessuren mit Homöopathie. Zwei davon werden von Unternehmen bezahlt, die homöopathische Mittel herstellen. Das muss und möchte ich gar nicht weiter kommentieren.
Die Macht des Placebo-Effekts
Ein weiterer entscheidender Grund für die Popularität von Globuli und Co. liegt sicherlich auch darin, dass viele Betroffene damit (angeblich) sehr gute Erfahrungen gemacht haben. Das liegt jedoch ausschließlich am Placebo-Effekt, denn rein wissenschaftlich betrachtet können homöopathische Substanzen gar nicht wirken.Eine erst kürzlich veröffentlichte Studie der Universität Basel in Zusammenarbeit mit der Harvard Medical School hat dazu sehr interessante, neue Erkenntnisse erbracht. Über die schon vielfach dokumentierte Wirkung von Placebos – also Scheinmedikamenten ohne Wirkstoff – hinaus haben die Wissenschaftler festgestellt, dass der Effekt sogar eintritt, wenn die Patienten wissen, dass sie Placebos einnehmen. Bisher war man immer davon ausgegangen, dass hier ausschließlich der sprichwörtliche Glaube Berge versetzt.
Laut der Studie wirkten die Placebos aber sogar, wenn der Arzt den Patienten darüber aufklärte, dass es Scheinmedikamente sind, ihm gleichzeitig jedoch erklärte, dass es dennoch einen positiven Effekt geben könnte. Und genau dieser Effekt könnte natürlich auch eintreten, wenn der Homöopath seinen Patienten von der „Wirksamkeit“ seiner – und ich wähle diesen Ausdruck ganz bewusst – „Mittelchen“ überzeugt.
Wenn Homöopathie gefährlich wird
Nun kann man sicherlich lange darüber diskutieren, dass es nicht schlimm ist, wenn nicht das „Mittelchen“, sondern der psychologische Effekt für Heilung sorgt. Doch auch hier möchte ich warnen: Gerade von Homöopathen wird ihr Verfahren oftmals als das einzig richtige angepriesen. Mit Globuli, die sogar gegen Bluthochdruck oder Krebs helfen sollen – natürlich völliger Unsinn – halten sie ihre Patienten davon ab, einen Arzt zu besuchen. Das kann jedoch den Beginn einer seriösen Therapie verzögern und damit dem Kranken schaden. Bei einem Schnupfen mag das keine ernsthaften Folgen haben. Wenn Sie jedoch ernsthaft krank sind, gehen Sie bitte zu einem Arzt und nicht zu einem Homöopathen.Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.