Es ist sehr wahrscheinlich, dass Stress unser Urteilsvermögen beeinträchtigt. Dies ist zumindest das Ergebnis einer Untersuchung britischer Forscher, die in Psychological Science, einem Journal der Association for Psychological Science, veröffentlicht wurde. Außerdem ist diese Untersuchung ein schönes Beispiel dafür, wie man komplexe Fragestellungen in überaus simple Versuchsanordnungen herunterbrechen kann. Dr. Rose Shaw, Psychotherapeutin aus München, stellt die Studie vor: „Wir müssen dauernd Entscheidungen treffen. Oft denken wir dabei über das Für und Wider sorgfältig nach und berücksichtigen frühere Erfahrungen in ähnlichen Situationen, bevor wir zu einem endgültigen Entschluss kommen. Aber eine neue Untersuchung zeigt, dass kognitiver Stress wie zum Beispiel Ablenkung diese ausgewogene, logische Vorgehensweise bei der Entscheidungsfindung beeinflussen kann.“
Kognitiver Stress beeinflusst Entscheidungsfindungen negativ
Die Psychologen Jane Raymond und Jennifer L. O’Brien von der Bangor University in Großbritannien wollten untersuchen, wie kognitiver Stress das Fällen vernünftiger Entschlüsse beeinträchtigt. In dieser Studie spielten Versuchspersonen ein simples Glücksspiel, bei dem sie Geld verdienten, indem sie sich zwischen zwei Reizen entscheiden konnten – in diesem Fall zwei Bilder von verschiedenen Gesichtern. Sobald sie ihre Wahl getroffen hatten, wurde sofort klar, ob sie gewonnen, verloren oder gleichgezogen hatten. Die ganze Aufgabe hindurch war jedes Gesicht immer mit dem gleichen Ergebnis assoziiert. In der nächsten Phase des Experiments wurde den Freiwilligen jedes Gesicht einzeln gezeigt, und sie mussten angeben, ob sie diese Gesichter vorher gesehen hatten. Während dieser Aufgabe wurden die Freiwilligen manchmal abgelenkt und manchmal nicht.
Die Ergebnisse zeigen, dass Ablenkungen einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidungsfindung haben. Wenn die Freiwilligen nicht abgelenkt waren, erkannten sie die Gesichter am ehesten, mit denen sich die Ergebnisse „gewinnen” oder „verlieren” sehr gut voraussagen ließen. Wenn sie dagegen abgelenkt waren, erkannten sie nur diejenigen Gesichter, die zuvor mit „gewinnen” assoziiert gewesen waren.
Das Ergebnis der Studie
Die Autoren stellen fest, dass wenn wir eine Entscheidung unter Stress fällen müssen, „wir eher Dinge berücksichtigen, die in der Vergangenheit zu einer Belohnung führten, und übersehen dabei Informationen, die negative Ergebnisse vorhersagen”. Anders ausgedrückt zeigen diese Ergebnisse, dass in Zeiten der Anspannung unser Verhalten durch irrationale Neigungen, die frühere Belohnungen bevorzugen, gelenkt werden kann.
Fazit:
Dieses Ergebnis zeigt, wie wichtig es für den Einzelnen sein kann, ohne Störfaktoren Entscheidungen zu treffen. Entweder sollte man für wichtige kognitive Arbeiten sich Zeit und Ruhe suchen oder den Störfaktor vor der Entscheidungsfindung ausschalten. Auf keinen Fall, sollte man überhastet folgenschwere Entscheidungen treffen, wenn negative Einflussfaktoren die Denkprozesse belasten.
Quellen:
Dr. Rose Shaw, Blog Psychologie Aktuell, 3. Oktober 2009
Pressemitteilung der Association for Psychological Science vom 15.9.2009
Raymond & O’Brien. Psychological Science 2009