Zahlen zeigen: Sie sind nicht allein
Darum gleich vorweg: Harninkontinenz muss niemandem peinlich sein. Zum einen, weil niemand etwas dafürkann. Zum anderen aber auch, weil viel zu viele davon betroffen sind. Nach Ergebnissen einer WHC (Women´s Health Coalition)-Vorsorgestudie leidet in Deutschland nahezu jede dritte Frau darunter. Dabei tritt das Problem in allen Altersstufen auf, nimmt mit zunehmendem Alter jedoch signifikant zu. Männer sind etwas seltener betroffen. Aber insgesamt geht man davon aus, dass rund 10 Prozent aller Deutschen daran erkrankt sind.Diese Formulierung habe ich übrigens ganz bewusst verwendet, denn bei Harninkontinenz handelt es sich um eine Krankheit, die ganz unterschiedliche Ursachen haben kann, welche zudem auch noch in Kombination auftreten können.
Finden Sie die Ursache
International wird die Harninkontinenz in acht Formen unterteilt. Entscheidend ist dabei, was den nicht gewollten Harnverlust auslöst. Hier einige typische Auslöser: Bei Frauen schwere Geburten, bei Männern Operationen an der Blase oder der Prostata sowie Prostatavergrößerungen. Zudem Erkrankungen des Rückens, Bandscheibenvorfälle, Blasensteine oder -tumore, aber auch typische Alterserkrankungen wie Demenz, Parkinson oder Schlaganfall. Dazu kommt noch die häufigste Form der Harninkontinenz: die Belastungs- oder Stress-Inkontinenz.Allein aus dieser Vielfalt möglicher Ursachen sehen Sie, wie wichtig eine gründliche Untersuchung für die anschließende Behandlung ist. Denn oftmals kann Ihr Arzt durch eine geeignete Therapie das Problem lindern oder sogar komplett heilen.
Studie belegt: Beckenbodentraining hilft bei Belastungsinkontinenz
Für die insbesondere bei Frauen aller Altersstufen sehr häufig auftretende Belastungsinkontinenz hat sich beispielsweise ein gezieltes Beckenbodentraining als sehr wirksam gezeigt. Das belegt auch eine Studie der Universitäts-Frauenklinik Tübingen. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass nach einem zwölfwöchigen konservativen Beckenbodentraining die Kontraktionskraft der Beckenbodenmuskulatur signifikant zunahm. Die Inkontinenz ging deutlich zurück. Die Lebensqualität der Teilnehmerinnen steigerte sich erheblich.Das Training des Beckenbodens wird in China übrigens schon seit mehr als 6.000 Jahren praktiziert, häufig auch vorbeugend. Gerade am Anfang sollte es aber auf jeden Fall von einem geschulten Physiotherapeuten begleitet werden, der gezielt auf die jeweilige Problematik eingeht.
Wenn Sie das Training dann noch mit einigen generellen Übungen kombinieren und dabei etwas Gewicht verlieren, profitieren sie gleich doppelt. Viele betroffene Frauen sind nämlich auch übergewichtig. Ein Gewichtsverlust verbessert das Problem zusätzlich.
Abschließend möchte ich allen, die unter einer Harninkontinenz leiden, noch einmal dringend empfehlen: Ergeben Sie sich nicht Ihrem Schicksal. Reden Sie mit Ihrem Arzt darüber.
Zur Person
Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.