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Gesund mit Diehm

Gesunde Rituale – ein Plädoyer

„Ein Ritual ist in der Zeit das, was im Raum eine Wohnung ist“ (Antoine de Saint Exupéry). Wie das aus gesundheitlicher Sicht zu verstehen ist, erklärt Prof. Dr. med. Curt Diehm in seinem Gastbeitrag.
Viele Menschen mögen keine täglichen Routinen, weil diese abstumpfen, unflexibel machen und auch als ein bisschen spießig gelten. Dennoch empfehle ich meinen Patienten, gesunde Dinge als Rituale in ihrem täglichen oder wöchentlichen Ablaufplan fest zu integrieren. Einfach deshalb, weil bei Ritualen die sogenannte Adhärenz besser gegeben ist. Unter Adhärenz verstehen Mediziner die Frage, wie regelmäßig Patienten die vorgeschlagene Therapie auch wirklich anwenden. Wir wissen beispielsweise, dass viele Kranke ihre Medikamente nicht wie mit dem Arzt vereinbart einnehmen.

Bei Ritualen ist das anders. Hat ein sinnvolles und gesundes Verhalten einmal „Ritual“-Charakter, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es auch regelmäßig angewandt wird. Rituale besitzen einen hohen Symbolgehalt.

Wir wissen auch, dass es durchschnittlich 30 Tage dauert, bis eine bestimmte Verhaltensänderung zur Gewohnheit beziehungsweise zum Ritual wird. Mir gefällt das Ritual-Konzept auch besser wie der Ansatz, sich gute Vorsätze zu Recht zu legen. Vorsätze fühlen sich immer auch ein wenig nach Zwang an, bei Ritualen schwingt immer mit, dass man Sinnvolles auch gerne tut.

Es sind also wichtige alltägliche Rituale, die uns lange gesund halten können. So verstanden sind Rituale wichtige Koordinaten im Tagesablauf. Sie stabilisieren uns und geben uns einen magischen Halt und Orientierung in einer schnelllebigen und hektischen Zeit.

Gesunde Rituale, wenn auch scheinbar klein und unbedeutend, sind heute eine echte Chance, lange körperlich und geistig fit zu bleiben. Pflegen Sie deshalb Rituale: sie bringen Ordnung, Ruhe und Klarheit in Ihr Leben.

Hier eine Liste möglicher gesunder Rituale:

- Achtsam eine Tasse Tee zubereiten
- eine Tasse Tee oder Kaffee in Ruhe morgens beim Zeitungslesen trinken
- ein Spaziergang im Wald oder im Park zu einer festen Zeit
- Regelmäßige Saunabesuche
- Sport zu bestimmten Zeiten, etwa die Spinning-Stunde am Morgen im Fitness-Studio oder einmal die Woche Tennis zu einer festgelegten Uhrzeit
- Ein Apfel pro Tag
- Ein Abendessen an einem bestimmten Tag pro Woche ausfallen lassen
- An bestimmten Tagen auf Fleisch verzichten
- Einmal pro Woche einen kompletten Fastentag einlegen, generell abends ab 17.00 Uhr auf jegliche Kohlenhydrate verzichten
- Bewusst Festtage zelebrieren
- Balanceübungen auf dem Wackelbrett beim Zähneputzen
- Ein kleines Glas Rotwein am Abend trinken
- Wer schlecht schläft, sollte einen fixen Ablauf für die letzten Handlungen vor dem zu Bett gehen einüben

Gesunde Rituale führen also nicht nur zu einer Verminderung von Krankheitsrisiken, sondern sie verbessern auch signifikant die Lebensqualität.

Der Hirnforscher Ernst Pöppel rät zur Ritualisierung: „Der Tag an sich muss inszeniert werden. Man muss sich einfach angewöhnen, bestimmte Dinge an bestimmten Tagen zu erledigen. Schließlich essen, arbeiten und schlafen wir auch zu bestimmten Zeiten, ohne darüber nachzudenken. Sport muss so selbstverständlich werden wie Zähneputzen und Frühstücken“.

Der Soziologe Karl Gabriel definiert Rituale als „stilisierte, wiederholbare Handlungen an den typischen Übergängen und Brüchen des modernen Alltags“.

Mit dieser Definition fasst Gabriel alle wissenschaftlichen Zugänge zusammen. Rituale sind gesunde Gewohnheiten für die Seele. Die Seele des Menschen wohnt in Gewohnheiten. Rituale geben der Seele eine Heimat. Es sind gesunde Gewohnheiten für das Denken, Fühlen, Wollen und Entscheiden. Rituale geben dem Menschen Sicherheit, weil sie ihm vertraut sind und eine Art Gerüst geben. Daher ist es sinnvoll, Gewohnheiten für sich zu entdecken und zu pflegen.

Alltagsrituale können gerade auch bei psychosomatischen Krankheiten eine wichtige Rolle spielen. Sie steigern die Achtsamkeit und führen zu mehr innerer Ausgeglichenheit. Sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit ADHS spielen Mini-Auszeiten eine wichtige Rolle. Gerade bei Kindern gilt: lieber Rituale als Ritalin.

Unterschätzen wir also die Macht der Rituale nicht. Als Spielregeln des Lebens können sie uns sowohl im Alltag als auch bei der Bewältigung existenzieller Probleme Hilfe leisten. Wir brauchen gesunde Rituale, um gesund zu bleiben!

Zum Autor

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

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