Burnout-Special – Teil 5: Das emotionale Profil als Ansatzpunkt www.istockphoto.com/anzlyldrm

Burnout-Special – Teil 5: Das emotionale Profil als Ansatzpunkt

Auch in unserer heutigen Burnout-Folge lenken wir unser Augenmerk auf die medizinische Behandlung psychischer Erkrankungen als Folge von Burnout. Dazu statteten wir den Oberberg-Akutkliniken einen Besuch ab, denn hier gibt es eine Behandlungsmethode, die sich im besonderen Maße nach dem emotionalen Profil der Patienten richtet. Wir sprachen hierzu mit Prof. Dr. Götz Mundle, dem ärztlichen Geschäftsführer der Oberbergkliniken.

Bei dem Oberbergmodell, welches speziell in den Oberberg-Kliniken entwickelt wurde, steht die Wahrnehmung des emotionalen Profils der Patienten im Mittelpunkt. „Dies ist die Grundlage für einen intensiven und individuellen Therapieprozess und ermöglicht eine nachhaltige Gesundung", erklärt Prof. Mundle. Dazu wird nach und nach ein Persönlichkeitsprofil des Betroffenen erstellt, wonach die Therapie immer wieder ausgerichtet wird.

Die Wahrnehmung der emotionalen Situation

Für die Behandlung eines Burnout-Patienten ist die ganz persönliche emotionale Situation ausschlaggebend. Jeder Mensch entwickelt eine eigene, individuelle psychisch-emotionale Struktur. Gewisse Grundkonstellationen werden geerbt, von außen einwirkende Faktoren, z.B. Wärme und Geborgenheit oder – im Kontrast – mangelnde Zuwendung und primäre Leistungsorientierung von wichtigen Bezugspersonen wie Eltern prägen das emotionale Persönlichkeitsprofil jedes Menschen. „Diese Grundmuster oder Schemata der emotionalen Persönlichkeit, insbesondere die ‚krankmachenden' Faktoren, sind den meisten Menschen nicht bewusst", erklärt Prof. Mundle. Das führt letzten Endes dazu, dass die Betroffenen in stressigen Alltagssituationen ihre Wahrnehmung für ihre gesundheitlichen Grenzen und Bedürfnisse verlieren. Sie überfordern sich chronisch. Die Folge ist die Entwicklung von körperlichen oder psychischen Erkrankungen, wie z.B. chronische Muskel-und Skelettbeschwerden, Erkrankungen des Verdauungstraktes sowie Depressionen, Abhängigkeits- oder Angsterkrankungen.

Diese Verhaltensweisen zeigen sich im Rahmen der Therapie mit täglichen Einzel- und Gruppengesprächen in Kombination mit nonverbalen Verfahren, wie Gestaltungs- oder Körpertherapie. Hier werden die Interaktionsmuster mit den Therapeuten oder Mitpatienten,  also die typischen emotionalen Reaktionsweisen der Patienten, genau beobachtet. „Hintergrund für die Entwicklung von psychischen Erkrankungen Menschen mit Burnout ist häufig die Angst, andere zu verlieren, wenn nicht genügend Leistung erbracht wird", zeigt Prof. Mundle auf.

Multipersonale Therapie

Jeder Burnout-Patient wird also als ein komplexes Individuum, als eine mehrdimensionale Persönlichkeit, betrachtet. Um dieser Komplexität gerecht zu werden, kann man sich weder auf einen einzelnen Therapeuten noch auf eine einzige Behandlung verlassen. Diesen Gedanken greift die Oberbergmethode auf, weswegen die Therapie im konkreten Fall auch nach konkreten Bedürfnissen ausgerichtet wird. „Eine Veränderung ist so nicht nur auf der aktuellen Symptomebene, sondern insbesondere auf der Persönlichkeitsebene möglich", beschreibt Prof. Mundle die Oberbergmethode. „Die betroffenen Menschen entwickeln ein Verständnis für ihre psychischen Erkrankungen und erfahren bisher unbewusste Seiten ihrer Persönlichkeit  in einer geschützten Atmosphäre und können ein neues Verständnis ihres emotionalen Persönlichkeitsprofils mit all seinen positiven und negativen Seiten entwickeln. Durch die Intensität der Therapie wird nicht nur eine Behandlung der Erkrankung, sondern auch die Bewusstwerdung ihrer Persönlichkeit ermöglicht."

Behandlung, die ein Wachstum der Persönlichkeit ermöglicht

Jeder Patient durchläuft während seines Aufenthalts (in der Regel 6-8 Wochen) mehrere Therapiephasen. Zu Beginn der Therapie stehen Maßnahmen, die die betroffenen Patienten annehmen und unterstützen. In der zweiten Phase der Therapie stehen die Analyse und Klärung der Entwicklung der Erkrankung, insbesondere auch der eigenen Anteile im Vordergrund. In dieser Phase kommen primär tiefenpsychologische oder schematherapeutische Verfahren zum Einsatz. Liegt ein Grundverständnis der Erkrankung und der zugrundeliegenden Grundkonflikte vor, so kann und muss der Blick im dritten und letzten Teil der Therapie nach außen gerichtet werden. Verhaltensänderungen im familiären oder beruflichen Alltag stehen jetzt im Vordergrund. Belastungserprobungen zu Hause, Gespräche mit Angehörigen oder Arbeitgebern helfen bei der konkreten Umsetzung der in der Therapie neu gewonnen Erkenntnisse.

In den einzelnen Phasen wird nicht zwischen alternativen und therapeutischen Behandlungen unterschieden. Vielmehr wird eine ganzheitliche Behandlung angestrebt, bei der Meditation genauso von Belang sein kann, wie psychotherapeutische Gespräche. „Insbesondere gehören hierzu Verfahren der achtsamkeitsbasierten Psychotherapie, deren Wirksamkeit heute nachgewiesen ist und daher integraler Bestandteil des Gesamtbehandlungskonzeptes für uns ist", fügt Prof. Mundle hinzu. „Beide Seiten, klassische Psychotherapie und achtsamkeitsbasierte Verfahren ergänzen sich in ihrer Wirksamkeit."

Dem Patienten sollen Mittel zur Selbsterkennung gegeben werden. „Er soll ein Verständnis für die Entwicklung der eigenen Erkrankung erlangen und so notwendige Veränderungen in der Zukunft ermöglicht werden." Damit verbunden muss ihm die Fähigkeit zurückgegeben werden sich lebendig zu fühlen und sein Leben gesund gestalten zu können. „Dies ist eine Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Therapie", erklärt Prof. Mundle. „Wer für sich selbst erkannt hat, dass es sich lohnt, sich aktiv um seine Gesundheit zu kümmern, hat einen wesentlichen Grundstein für seinen weiteren Gesundungsweg gelegt. Wichtig hierfür sind die Prinzipien der Salutogenese (Lehre der Gesundheitsentstehung, Anm. d. Red.). Hierzu gehört das Wissen, dass Gesundheit kein einmal erreichter Zustand ist, sondern täglich zu gestalten ist. Notwendig hierfür ist auch eine Innenschau mit Wahrnehmung der eigenen Wünsche, Ziele und Werte. Nachhaltig psychisch gesund und vor allem lebendig wird nur derjenige sein, der ein Bewusst-Sein für seine Gesundheit entwickelt."

In den ersten 12 Monaten nicht allein gelassen

Um Nachhaltigkeit zu gewährleisten, kann es keinesfalls bei einer einmaligen stationären Behandlung bleiben. Besonders die ersten Monate nach dem Klinikaufenthalt gestalten sich schwierig. Daher wird auf die „Zeit danach" ein besonderes Augenmerk gelegt. „Wir sind sehr darauf bedacht, dass der Patient nach der Zeit bei uns weiter Unterstützung und Hilfe erfährt. Dies bedeutet eine regelmäßige ambulante Therapie.  Hinzu kommen regelmäßige Rituale im Alltag, die helfen sollen, eine gesunde Beziehung zu sich selbst und zu den Mitmenschen herzustellen. Vor allem die Zeit für die Familie, regelmäßiger Sport, Meditation, Yoga oder 5-min. Atempausen am Arbeitsplatz sind einfache, aber zentrale Faktoren für eine „ansteckende" Gesundheit."

 

Unser Experte: Prof. Dr. Mundle von den Oberbergkliniken

mundle

Chefarzt der Oberbergklinik Berlin/Brandenburg, Ärztlicher Geschäftsführer der Oberbergkliniken und Leiter der Oberberg Akademie

 

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