Ohne Fingerabdrücke geboren – Was ist Adermatoglyphie? istockphoto.com/italianoestro

Ohne Fingerabdrücke geboren – Was ist Adermatoglyphie?

Bei sehr wenigen Menschen entsteht bei einer Fingerabdruck-Abnahme am Flughafen ein tiefschwarzer Fleck, der die erwarteten feinen Muster der Hautoberfläche vermissen lässt. Was bei der Flughafenkontrolle für Furore sorgt und kriminelle Machenschaften vermuten lässt, ist für Genforscher ein bekanntes aber seltenes Phänomen namens Adermatoglyphie.

 

Im Jahr 2007 wurde eine junge Schweizerin unfreiwillig zu einer kleinen Attraktion, als sie die Flughafenkontrolle in die USA versuchte zu passieren. Da ihr rechtgültiger Ausweis der Grenzkontrolle nicht reichte, bat man sie um Fingerabdrücke, doch die Frau konnte keine produzieren. Die Antwort auf dieses dubiose Phänomen lässt sich aus genmedizinischer Sicht jedoch recht einfach beantworten: Die Schweizerin leidet unter der Erbkrankheit Adermatoglyphie.

Einzigartige Musterlandschaft

Normalerweise haben wir eine Musterung auf allen Finger- und Zehenkuppen, Handflächen und Fußballen, die uns einzigartig macht. Feine Papillarleisten auf unserer Hautoberfläche sind es, die uns als eine bestimmte Person identifizieren können. In den ersten 16 Wochen unserer embryonalen Entwicklung werden diese Hautleisten ausgebildet und ab etwa der 24 Schwangerschaftswoche für ein Leben lang festgelegt. Aufgrund ihrer unendlichen Ausformungen haben weder Menschen und noch Säugetiere auf der Welt den gleichen Fingerabdruck. Selbst bei eineiigen Zwillingen ist eine Wiederholung ausgeschlossen.

Wenn der Mensch keinen Fingerabdruck hat

Genau dieser einzigartige Charakter rückt den Fingerabdruck ins Visier der Kriminalistik. Ob bei einer Fahndung oder simpel bei Flughafenkontrollen, überall wo unsere Identität eine Rolle spielt, kommen auch unsere Fingerabdrücke zum Einsatz. Genau deswegen wird Adermatoglyphie auch „Einwanderungsverzögerungskrankheit“ genannt. Denn wie bei unserer Schweizerin, sorgt die Krankheit für langwierige Wartezeiten an Flughafen-Kontroll-Counter, wo die Betroffenen einem meist verdutzten Beamten zunächst erklären müssen, warum sie keinen Fingerabdruck haben.

Wie entsteht Adermatoglyphie?

Adermatoglyphie ist eine sehr seltene Erbkrankheit. Bisher wurde sie bei lediglich 4 Familien weltweit entdeckt. Nun, so berichtete der American Journal of Human Genetics im August, gelang es israelischen Forschern aus Tel Aviv erstmals das Gen, welches dafür verantwortlich ist, herauszufiltern. Dafür wurde die DNA der gesunden Familienmitglieder mit denen, die unter Adermatoglyphie litten, verglichen. Dabei stieß man nach aufwendigem Ausschlussverfahren auf das Gen SMARCAD1. Dieses erzeugt ein Protein, das für die Bildung der Hautleisten in unseren Finger- und Zehenkuppen, Handflächen und Fußballen verantwortlich ist. Genau dieses Gen war bei den Betroffenen mutiert, so dass das benötigte Protein nicht oder verkürzt vorkam und so die Ausbildung der Papillarleisten ausblieb.

Zwar können sich die Betroffenen von dieser wissenschaftlichen Aufdeckung nichts kaufen, da der Gendefekt nicht behandelbar ist. Zumindest haben sie aber an der Passkontrolle im Flughafen eine handfeste medizinische Erklärung für das Fehlen ihrer Fingerabdrücke. Eine weitere interessante Frage, und zwar welche Faktoren für die einzigartigen Muster unserer Hautleisten verantwortlich sind, konnten die Genforscher jedoch noch nicht beantworten.

 

Quellen:

Bernd Herrmann Klaus-Steffen Saternus, Biologische Spurenkunde, Kriminologie Band 1, Springer Verlag, 2007

The American Journal of Human Genetics (AJHG) – Originaltext: http://www.cell.com/AJHG/abstract/S0002-9297%2811%2900298-9

aerzteblatt-studieren.de – Originaltext: http://www.aerzteblatt.de/studieren/news/news.asp?id=46884&src=&swid=