Entstehung von HGPS
Die meisten HGPS-Patienten tragen eine Mutation, die eine fehlerhafte Form des Proteins Lamin A erzeugt. Dieses defekte Protein wird als Progerin bezeichnet. Das normale Lamin A ist ein wichtiger Bestandteil des Gerüsts, das die DNA im menschlichen Zellkern umgibt. Die defekte Form Progerin ist dagegen nicht funktionstüchtig, wird aber permanent neu gebildet – die Folge: Progerin sammelt sich im Zellkern an und lässt die Zelle „altern“. HGPS-Patienten leiden deshalb an klassischen Alterserkrankungen wie Arteriosklerose, Osteoporose, Herzinfarkten und Schlaganfällen.Blick in den Zellkern
Um herauszufinden, welche Stoffwechselwege durch die Mutation und das defekte Protein genau betroffen sind, führten Prof. Karima Djabali und ihr Team von der Fakultät für Medizin und dem Institut für Medizintechnik der TUM (IMETUM) jetzt eine Vergleichsstudie von kranken und gesunden Gewebezellen durch. Sie überprüften dabei die Proteinzusammensetzung in den Zellkernen und suchten nach Unterschieden.Dabei entdeckten sie zunächst eine Gemeinsamkeit: Sowohl in den gesunden als auch in den kranken Zellen fand sich die fehlerhafte Proteinform Progerin – jedoch nicht in derselben Menge. In den Zellkernen der kranken Zellen konnten die Wissenschaftler zehn bis 20 Mal mehr Progerin nachweisen – ein riesiger Müllberg, der entsorgt werden muss.
Müllabfuhr in HGPS-Zellen gestört
Wie die Wissenschaftler herausfanden, funktionierte die zelluläre Müllabfuhr, das so genannte Proteasom und die Autophagie, in HGPS-Zellen nicht mehr korrekt. Diese beiden Abbausysteme bestehen aus sehr großen Proteinkomplexen. Sie sorgen dafür, dass defekte oder überschüssige Proteine abgebaut werden. In den HGPS-Zellen wurden einige wichtige Bauteile dieser Komplexe nur noch in geringeren Mengen gebildet. „Diese Fehler in der zellulären Müllabfuhr verstärken den Effekt, dass sich defektes Progerin innerhalb kurzer Zeit ansammelt und die Zelle schädigt.“, erklärt Djabali.Substanz aus Brokkoli als neuer Therapieansatz?
Die Wissenschaftler suchten nach Substanzen, die das Proteasom und die Autophagie aktivieren und so der Progerinansammlung entgegenwirken könnten. Fündig wurden sie in Brokkoli. Darin wird ein Stoff produziert, Sulforaphan, der den Proteinabbau in der Zelle aktiviert. Die Wissenschaftler behandelten die HGPS-Zellen mit der Substanz und stellten fest, dass signifikant weniger Progerin in den Zellen zu finden war. Auch DNA-Schädigungen und Zellkernverformungen, weitere Effekte der Krankheit, traten seltener auf als in unbehandelten Zellen. „Jede wirkungsvolle Substanz und jeder neue Ansatz bringt uns ein Stück näher an eine Therapie für HGPS-Patienten. Es könnte uns auch in Zukunft helfen, effektive Anti-Aging-Strategien zu entwickeln“, fasst Djabali zusammen.Quelle: Pressemitteilung Technische Universität München