Eisbaden: Was ist dran am Hype? pixabay.com
Gesund mit Diehm

Eisbaden: Was ist dran am Hype?

Es war ein Trend des vergangenen Winters: Eisbaden. Nachdem David Beckham, Lady Gaga und viele andere Prominente es praktizierten und öffentlich teilten sprangen viele Bürger ins kalte Wasser zum Schwimmen. Bis dato kannten wir das Phänomen vornehmlich von Bildern, auf denen Skandinavier und Kanadier vor dem schmerzhaften Sprung ins eiskalte Wasser nicht zurückschreckten. Kann das auch für uns Mitteleuropäer gesund sein?
Gewisse Erfahrungen mit eiskaltem Wasser haben auch wir. Unter Sportlern gehört seit einigen Jahren die „Eistonne“ zur Regeneration nach dem Wettkampf zum Repertoire. Physiotherapeuten gerade im Fußball setzen sie gerne kurz nach dem Schlusspfiff ein. Subjektiv berichten viele Sportler nach dieser Schocktherapie, dass sie sich nach einem Spiel schneller wieder fit und weniger müde fühlen.

Beim aktuellen Trend des regelmäßigen Eisbadens ganz normaler Menschen geht es jedoch nicht um die Regeration nach körperlicher Anstrengung. Begründer ist der Holländer Wim Hof aus Nijmegen, den die Szene nur „Iceman“ nennt. Die Protagonisten beteuern: Schwimmen im kalten Wasser ist gut für Leib und Seele. Dabei ist der winterliche Sprung in den nahen Bach Teil eines breiteren Gesundheitskonzepts mit Atmung, Konzentration und viel Disziplin.

Fakt ist: Wer es in eiskaltem Wasser ein bis zwei Minuten aushält, kann sich einer euphorisierenden Wirkung sicher sein. Dies hängt mit dem Anstieg der Serotonin- und Dopaminspiegel zusammen. Bekannt ist, dass Dopamin die Konzentrationsfähigkeit fördert. Neuere Studien belegen, dass „Eisbader“ sich über mehrere Stunden frisch und erholt fühlen. Probanden berichten über besagten Konzentrationseffekt und auch über eine Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

Im kalten Wasser erhöht sich zunächst die Adrenalin-Ausschüttung massiv. In der Folge kommt es aber zu einem Überwiegen des parasympathischen Nervensystems. Die Herzfrequenz wird langsamer und der Blutdruck sinkt wieder ab. Ähnliches vollzieht sich im Körper auch bei einem kurzen schnellen Lauf.

Wer letzten Winter vor dem Gang zur Arbeit in kaltem Wasser geschwommen ist und sich die folgenden Stunden frisch und leistungsfähig gefühlt hat, hat sich das also nicht nur eingebildet.

Kälte kann bei Schmerzen und zur Gewichtsabnahme helfen

Seit längerer Zeit schon werden Patienten mit rheumatischen Krankheiten wie beispielsweise Arthritis einer Kältetherapie unterzogen. Das Schmerzempfinden wird dadurch teilweise blockiert. Ähnliche Erfahrungen wurden mit degenerativen Gelenkveränderungen wie Arthrose gemacht. Und auch Hexenschuss und Rückenschmerzen allgemein können gut auf eine Kältebehandlung ansprechen.

Tierversuche sowie Untersuchungen am Menschen haben überdies gezeigt, dass Kälte das so genannte „braune Fett“ im Körper aktivieren kann. Durch die Oxidation von braunem Fett produziert unser Körper Wärme. Wenn unser braunes Fett in der Masse abnimmt, nehmen wir auch deutlich an Gewicht ab.

Erhöht Kältebaden die Immunabwehr?

Ein zentrales Argument für das kalte Bad im Winter hat mit unserem Immunsystem zu tun. Wim Hof und Forscher an der holländischen Universität Redwood in Nijmegen haben versucht, Zusammenhänge aufzuzeigen. Denn viele Anhänger dieser Kältetherapie haben die Erfahrung gemacht, dass sie keine Infekte mehr bekommen haben. Unisono berichten sie, ohne Grippe und Erkältung durch den Winter zu kommen! Die Eisschwimmer sind davon überzeugt, dass sie diese Aktivität „abhärtet“.

Immunologen stehen dieser These jedoch skeptisch gegenüber. Sie glauben nicht, dass ein gesundes, gut funktionierendes Immunsystem durch Eisbaden noch weiter stabilisiert werden kann. Diese Wissenschaftler gehen davon aus, dass Menschen, die sich gerne solchen extremen Bedingungen aussetzen, grundsätzlich einen gesünderen Lebensstil pflegen. Sie bewegen sich mehr, sind aktiver, öfter an der frischen Luft und deshalb grundsätzlich gesünder und weniger häufig an Infekten erkrankt.

Was ist zu beachten?

Wer körperlich gesund ist, kann jederzeit bei entsprechender Eingewöhnung im kalten Wasser Schwimmen und Baden. Für Personen mit hohem Blutdruck bedeutet Eisbaden hingegen ein Risiko, sie müssen medikamentös gut eingestellt sein, wenn sie ins Eisbad gehen. Insgesamt raten Ärzte zur Vorsicht bei Patienten mit Herz-Kreislauferkrankungen.

Kalt baden sollte man am besten in einer Gruppe oder mindestens zu zweit. Es besteht zumindest theoretisch die Gefahr, dass es zu einem Kälteschock kommt. Generell sollte das eisige Bad nicht länger als 5 Minuten dauern. Während des Bades sollte man eine Badekappe oder eine Mütze aufsetzen und mit dem Kopf nicht untertauchen. Anschließend viel Bewegung und warme Kleidung sind obligatorisch. Vor dem ersten Eisbad können Willige mit kaltem Duschen zu Hause „trainieren“.

Das Wasser in der Natur wird noch lange kalt bleiben, um zu testen, ob dieser neue Trend etwas für Sie ist.

Zur Person

Prof. Dr. med. Curt Diehm zählt zu den führenden Medizinern im Südwesten Deutschlands, er ist Autor zahlreicher Fach- und Patientenbücher und langjähriger Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gefäßmedizin. Seit Mitte 2014 leitet er als Ärztlicher Direktor die renommierte Max Grundig Klinik in Bühl. Alle Beiträge dieser Serie zum Nachlesen unter www.max-grundig-klinik.de.

 

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